Sprachenlernen, wenn es durch eine humanistische und historisch informierte Linse betrachtet wird, entpuppt sich als ein weitaus tiefgreifenderes Unterfangen als die bloße Aneignung von grammatikalischen Normen oder das Auswendiglernen von Vokabeln. Es handelt sich vielmehr um eine Initiation in eine Zivilisation, einen Prozess der Orientierung innerhalb der symbolischen, historischen und konzeptionellen Schichten, die in den sprachlichen Formen sedimentiert sind. Dies gilt insbesondere für die italienische Sprache, deren Entwicklung eng mit der kulturellen, bürgerlichen und literarischen Geschichte der italienischen Halbinsel vom Hochmittelalter bis zur Gegenwart verbunden ist.
Seit der Entstehung der Volkssprache im 13. Jahrhundert, mit den poetischen Neuerungen der Scuola Siciliana am Hof Friedrichs II. und die Verfeinerung der Dolce Stil Novo In der Toskana des späten 13. Jahrhunderts begann sich die italienische Sprache als ein Medium durchzusetzen, das nicht nur individuelle Gefühle, sondern auch philosophische Gedanken und Gesellschaftskritik ausdrücken konnte. Die Commedia von Dante Alighieri (1265-1321) kann in seiner radikalen Synthese von sakralen und weltlichen Registern, theologischer Vision und volkstümlicher Eloquenz als Gründungsakt des italienischen Sprachbewusstseins angesehen werden. Sein Einfluss hallte über die Jahrhunderte hinweg nach und schuf ein Modell für literarischen und intellektuellen Ehrgeiz, der untrennbar mit sprachlichen Experimenten verbunden ist.
Die italienische Renaissance des 15. und 16. Jahrhunderts, insbesondere durch den in Florenz, Padua und Rom entwickelten philologischen Humanismus, festigte den Status des Italienischen als kultivierte und normativ kodifizierbare Sprache weiter. Humanistische Gelehrte wie Lorenzo Valla (1407-1457), mit seiner Kritik an der Vulgata und die Wiederherstellung der klassischen lateinischen Reinheit, und später Pietro Bembo (1470-1547), der Petrarca und Boccaccio als Modelle für die Standardisierung des Italienischen vorschlug, legten die Bedingungen für eine linguistische Debatte fest, die die Identität der Sprache für Jahrhunderte prägen sollte. Bembos Prosa della volgar Lingua (1525) ist ein Beispiel für die Auffassung von Sprache als Kulturgut, das bewahrt, verfeinert und ästhetisch aufgewertet werden muss. Diese philologische Ausrichtung war keineswegs antiquarisch, sondern entsprach der Überzeugung der Renaissance, dass die Pflege der Beredsamkeit eine Voraussetzung für bürgerliche Tugend und moralische Klarheit war.
Das Streben nach einer einheitlichen italienischen Sprache setzte sich während der Aufklärung und des Risorgimento fort, insbesondere im 18. und 19. Persönlichkeiten wie Alessandro Manzoni (1785-1873) setzten sich für die sprachliche Vereinheitlichung als Mittel zum nationalen Zusammenhalt ein und überarbeiteten seine I Promessi Sposi (erstmals 1827 veröffentlicht, 1840-42 überarbeitet) nach dem florentinischen Sprachidiom. Die Frage der Sprache war in Italien immer gleichzeitig eine Frage der Kultur, der Politik und der Identität.
Im heutigen Italienisch ist die historische Schichtung der lexikalischen und syntaktischen Elemente weiterhin sichtbar und wirksam. Das Lexikon trägt den Stempel des lateinischen Erbes, der mittelalterlichen Scholastik, des Neologismus der Renaissance, des französischen und spanischen Einflusses (insbesondere vom 17. bis 19. Jahrhundert) und der modernen technischen Innovation. Gängige Redewendungen wie "andare in bianco" (scheitern), "Tarif-Fiasko" (erfolglos zu sein) oder "avere grilli per la testa"haben etymologische und kulturelle Wurzeln, die sich über Jahrhunderte erstrecken und wechselnde soziale Vorstellungen widerspiegeln. Selbst scheinbar neutrale sprachliche Merkmale - wie die Verwendung von "Lei" für die förmliche Anrede - zeigen historische Spuren der spanischen höfischen Normen des 16. und 17. Jahrhunderts, die im italienischen Kontext verinnerlicht und refunktionalisiert wurden.
Italienischunterricht für Nicht-Muttersprachler (italienisch L2) in diesem Rahmen bedeutet mehr als kommunikative Effizienz; es erfordert die Kultivierung einer hermeneutischen Sensibilität für die historische Dimension der Sprache. Italienisch wird nicht zu einem neutralen Instrument, sondern zu einem kulturellen Archiv - einem lebendigen Dokument der bürgerlichen, künstlerischen, religiösen und politischen Entwicklung Europas. Wörter wie 'Gemeinde', 'cittadinanza', 'umanesimo', oder 'giustizia' umfassen Veränderungen, die vom römischen Recht und den mittelalterlichen kommunalen Traditionen bis zum Rationalismus der Aufklärung und dem modernen Konstitutionalismus reichen.
Der Lernende, der sich mit Italienisch beschäftigt Durch dieses Prisma erwirbt der Schüler nicht nur eine sprachliche Kompetenz, sondern tritt in eine dialogische Beziehung zur longue durée einer Zivilisation. In diesem Sinne nimmt der Sprachunterricht die Form eines humanistischen Projekts an: Er vermittelt nicht nur Wissen, sondern formt ethische und intellektuelle Sensibilitäten. Er erinnert an das Renaissance-Ideal der studia humanitatisin dem sprachliche Verfeinerung und moralische Erziehung untrennbar miteinander verbunden waren.